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Warum ist Looser Senf kein Mostrich? Was ist überhaupt Mostrich?

Senfwürze wurde schon vor mehreren tausend Jahren aus zerstoßenen oder gemahlenen Senfsamen durch Zugabe von Wasser (evtl. Salz und Gewürzen) hergestellt.
Mostrich war bereits im 4. Jahrhundert bekannt. Der Römer Palladius hatte aus Senfsaat, Honig, Olivenöl und vergorenem Most eine Würzpaste hergestellt, die die Römer „mustum ardens“ (Brennender Most) nannten. Davon leiten sich in anderen Sprachen die Begriffe Mustard, Moutarde, Musztarda und auch das heute noch in Süddeutschland gebräuchliche „Mostert“ ab.
„Mostrich“ erhält man, wenn man die Klassische Senfwürze [1] „most-reich“ herstellt, d.h. das Wasser ganz oder teilweise durch Most ersetzt. Dabei kann der Most in seiner ursprünglichen Form, aber auch eingedampft oder vergoren verwendet werden. Vergorener Most ist aber nichts anderes als Essig – wir können also im Mostrich eine Übergangsstufe von der Klassischen Senfwürze zum modernen Tafelsenf sehen (siehe weiter unten).
Die beiden deutschen Bezeichnungen Mostrich (Möstrich) und Mostert haben unterschiedliche sprachliche Ursprünge, bedeuten aber dasselbe.

Einiges spricht dafür, daß Mustum ardens ursprüglich eine Konservierungs-Flüssigkeit zur Haltbarmachung von Vorräten gewesen ist [2], zumindest war neben Mustum ardens der griechische Begriff „Sinopos“ (sinos – schädlich; opos – Auge) gebräuchlich, aus dem sich der lateinische Name Sinapis für Senf herleitet, der heute die botanische Gattungsbezeichnung für den Weißen oder Gelben Senf ist [3].

Mostrich ist heute kein einheitlich definierter Begriff mehr. Das begriffliche Durcheinander auf diesem Gebiet hat u.a. H. Rost 1977 in einem Lehrbrief (!) auf die Spitze getrieben, indem er den Tafelsenf nicht mehr zu den Speisesenfen zählte und die Unterscheidung zwischen „Speisesenf“ und „Mostrich“ am Grad der Entölung der Senfsaat festmachte [4].

Noch im späten 19. Jahrhundert war „Mostrich“ warenkundlich klar definiert (vgl. z.B. G. A. Buchheister, 1898). Man könnte sagen: Jeder Mostrich ist ein Speisesenf, aber nicht jeder Speisesenf ein Mostrich. Andere Speisesenfe sind die Klassische Senfwürze und der Tafelsenf.

Der grundlegende Unterschied zwischen den verschiedenen Senfwürzen wurde in der Art der Herstellung und der Weiterverarbeitung der Grundmaische gesehen, nicht im Entölungsgrad oder der Mahlfeinheit der verwendeten Senfsaat, der botanischen Art der verwendeten Senfpflanze oder dgl.:

„Klassische Senfwürze“ wurde als Wassermaische angesetzt; bis zur gewünschten Konsistenz wurde dann mit Wasser – ggf. unter Zusatz von Essig, Wein und/oder Most - aufgefüllt.
Mostrich und Tafelsenf wurden als Essigmaische angesetzt und mit Wasser (Mostrich) oder Essig (Tafelsenf) aufgefüllt.

Für die Qualität und Haltbarkeit sind weiterhin Temperaturen, Einwirkzeiten, Ruhe- und Standzeiten sowie die Reihenfolge der Zugabe von Inhaltsstoffen wesentlich, die in der Regel geheim gehalten werden.

Um einen Vergleich zwischen den verschiedenen Senfwürzen zu ermöglichen, greifen wir auf traditionelle Senfwürzen zurück, da die Vielfalt und Variationsbreite der heute angebotenen Senf-Kreationen eine eindeutige Zuordnung nur schwer ermöglicht, die im 19. Jahrhundert noch deutlich erkennbar war.

Tabelle:          Inhaltsstoffe verschiedener Speisesenfe, und zwar:
                  1. Weinmostrich nach Buchheister, 1898
                  2. Mostrich nach TGL 83-7.4., 1977
                  3. Tafelsenf scharf nach Buchheister, 1898
                  4. Tafelsenf mittelscharf nach Buchheister, 1898
                  5. Echter Looser Senf, „Klassische Senfwürze“ nach Herbert, 2005.

Unser Echter Looser Senf scheint am ehesten mit einem historischen Weinmostrich vergleichbar zu sein. Er unterscheidet sich aber in einem wichtigen Punkt: er ist mit Wasser gemaischt, sein Essig- und Weinanteil wird der fertigen Maische zugegeben. Beim Weinmostrich ist es umgekehrt [5].


Anmerkungen

[1]Zimmermann bezeichnet das römische „mustum ardens“ als klassisch: "Im 5.    Jahrhundert n. Chr. kann man im Werk ‚Opus agriculturae’ des römischen    Schriftstellers und Gutsbesitzers Rutilius Taurus Palladius eine zweite klassische    Vorschrift zur Bereitung von gutem Tafelsenf finden. Somit stieg allmählich das    Senfpräparat zu einer klassischen Würze im Römischen Reich auf." (a.a.O., S. 11)
   „Klassische Senfwürze“ ist meines Wissens kein eingeführter Fachbegriff. Er soll    hier für die vermutlich früheste, ursprüngliche Form der Senfwürze in pastöser Form    stehen.
[2]„Das erste derartige Rezept wurde uns von dem Römer Columella überliefert. Er    beschrieb es im Jahre 42 u.Z. in seiner Schrift ‚De re rustica’ folgendermaßen:    "Den sorgfältig gereinigten Samen läßt man zwei Stunden im Wasser aufweichen, nimmt    ihn mit den Händen heraus, drückt ihn aus und stößt ihn dann … klein. Darauf zieht    man die ganze zerriebene Masse in der Mitte des Mörsers zusammen, drückt sie fest,    legt einige glühende Kohlen darauf, gießt mit Soda versetztes Wasser darüber,    wodurch der bittere Geschmack beseitigt wird, gießt weißen scharfen Essig hinzu,    rührt die Masse um und seiht sie durch. Die so gewonnene Flüssigkeit ist vorzüglich    zum Einmachen der Rüben geeignet" (zit. n. Zimmermann, a.a.O., S. 11-12).
[3]Das bezweifelt Zimmermann (a.a.O, S. 9). Ich halte es aber, nicht zuletzt aus    eigener Erfahrung, für sehr wahrscheinlich, zumal viele historische und moderne    Autoren vor den Schädigungen der Schleimhäute und besonders der Augen infolge der    Einwirkung des Senföls warnen (u.a. Meyer Bd. XIV, a.a.O., S. 865).
[4]"Mostrich: Ein aus Senfsaat und Essig bzw. saurem Most – wie aus dem Namen zu    erkennen ist – hergestelltes Erzeugnis wurde früher mit Mostrich bezeichnet. Jetzt    werden für Mostrich die genau definierten Begriffe ‚Speisesenf’ und ‚Tafelsenf’    verwendet.
   Speisesenf: Aus teilweise entölter Senfsaat und weiteren Rohstoffen wird Speisesenf    hergestellt.
   Tafelsenf: Im Unterschied zum Speisesenf kommt beim Tafelsenf nicht entölte    Senfsaat zur Verwendung." (Rost, a.a.O., S. 49)
[5]"Weinmostrich …Senfmehl und Kochsalz werden zuerst mit dem Weinessig und dem    Weißwein angemengt und erst nach einigen Stunden das Wasser allmählich zugerührt.
   Tafelsenf … Man mengt zuerst mit ca. ½l [Weinessig] an, setzt einige Stunden bei    Seite und rührt nun so viel Essig weiter hinzu, bis die passende Konsistenz    erreicht ist." (Buchheister, a.a.O., S. 49).

Literatur

G. A. Buchheister: Vorschriftenbuch für Drogisten. Die Herstellung der gebräuchlichen Handverkaufsartikel.- Berlin: J. Springer, 3. Aufl. 1898.- S. 48-49
Meyers Konversationslexikon.- Leipzig/Wien: Verl. d. Bibl. Inst., 4. Aufl. 1890
H. Rost: Lehrbrief Essig und Senf.- Berlin: Staatl. Getränkekontor (als Manuskript gedruckt), 1977.- S. 49-75
R. Zimmermann: Senf, ein kleines Korn, das ganz groß wurde.- Niederfinow: Selbstverl., o.J.- 33 S.

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